Es geht also [bei der Vergebung] zunächst um einen Willensakt. Wie übt man einen solchen ein?
Es gibt in diesem Zusammenhang eine Studie, die mir wichtig erscheint. Sie geht der Frage nach, wer sich leicht bzw. wer sich schwer mit dem Verzeihen tut. Das Ergebnis: Am leichtesten tun sich jene, die eigene Fehler erkennen können. Je mehr ein Mensch erkennt, dass er selbst fehlerhaft ist, umso eher kann er anderen einen Fehler zugestehen und deshalb verzeihen. Menschen, die sagen: „Mir wäre das nie passiert!“ und sich über den anderen empören – insbesondere Perfektionisten und Narzissten – tun sich ganz schwer mit dem Vergeben. Und das hat viel mit Schuldverdrängung zu tun. Wie erwähnt, tun wir Unrecht und erleiden es – etwa 50 zu 50. Wenn nun jemand den eigenen Anteil verdrängt, hat er große Schwierigkeiten, anderen Fehler zuzubilligen. Denn er selbst macht ja angeblich keine. Dabei verbittert man, weil man den Eindruck hat, der einzige Unschuldsengel zu sein, während die anderen gemein sind. Wer also erkennt, dass er selbst auch „Dreck am Stecken hat“, hält leichter erlittenes Unrecht aus.

Das ganze Interview kann in der Zeitschrift VISION 2000 nachgelesen werden.