Heißt das, dass die gesellschaftlichen Bilder vom Mann heute nicht mit dem übereinstimmen, was die Männer sind?

Bonelli: Dazu ein Beispiel: Männer sind stärker als Frauen. Vor 50 Jahren wäre diese Banalität nicht erwähnenswert gewesen. Jetzt habe ich fast zwei Jahre an einem Buch geschrieben. Da schien es mir, dass diese Banalität gar nicht erwähnenswert sei. Tatsächlich ist dieser Unterschied aber zentral. Denn dieser körperliche Unterschied hat direkte Auswirkungen auf die Psyche: Männer sind robuster, können mehr aushalten, sind stress-resistenter… Das lässt sich durch Studien belegen. Wenn nun ein Mann sich dessen nicht bewusst ist, kann er auch nicht entsprechend handeln, seine männliche Stärke nicht wohltuend in die Familie einbringen. Vielfach verändert er dann sein Verhalten in eine wehleidige, jammernde Weise. Und das ist der ehelichen Beziehung sehr abträglich. Der Patient, von dem die Rede war, ist sehr im Selbstmitleid geschwommen und seine Frau hat dies nicht ausgehalten.

Welche Kennzeichen der Männlichkeit wären besonders hervorzuheben?

Bonelli: Es gibt wohl Millionen von Studien über Mann und Frau. Reduziert man sie auf die Studien der letzten 20 Jahre, kann man deren Einsichten in drei große Gruppen zusammenfassen: Erstens haben Männer auf der körperlichen Ebene eine Stärke – ebenso auf der psychischen. Zu letzterer gehören: Handschlagqualität, Entscheidungsfreude, Konsequenz… Auf der emotionalen Ebene haben Männer, was die Empathie anbelangt, deutliche Defizite gegenüber der Frau. Dafür zeichnet sie eine emotionale Stabilität aus, ein Mangel an Wehleidigkeit. Auf der kognitiven Ebene haben Männer die Fähigkeit, sachlich zu denken, sich selbst wegzuabstrahieren, auf die Sache hin fokussiert zu arbeiten, sich auf Funktionen zu konzentrieren. Auf diese Weise ist der Mann eine sensationelle Ergänzung zur Frau, die andere Qualitäten hat. Sie ist auf der körperlichen Ebene schön und fruchtbar: hat eine natürliche Neigung zum Leben. Emotional hat sie eine große Stärke in der Empathie, kann sich in andere einfühlen. Und auf kognitiver Ebene ist sie fähig sozial, vernetzend und personal zu denken. Mann und Frau sehen alles von einem anderen Gesichtspunkt aus. Sie sind wie zwei Augen, die zusammen dreidimensional sehen – jedes Auge allein jedoch nur zweidimensional. Diese Ergänzung geht den Paaren verloren, wenn der Mann seine Männlichkeit, die Frau ihre Weiblichkeit verliert.

Das ganze Interview kann auf der Homepage des katholischen Magazins VISION 2000 nachgelesen werden.