Perfektionismus
Wenn das Soll zum Muss wird
Perfektionismus ist die Modekrankheit unserer Zeit, sagt der Wiener Psychiater Raphael M. Bonelli in seiner brillant geschriebenen Gesellschaftsanalyse, die zugleich eine augenzwinkernde »Anleitung« zum Unperfektsein ist.
Selten war ein psychologisches Sachbuch so aktuell: Perfektionismus ist eine Psychologie der Ängste, Lebenslügen und überzogenen Anspruchshaltungen.
»Ob in der Erziehung, der Ehe oder im Job – immer wollen wir alles richtig machen. Und dabei auch noch gut aussehen. Doch oft scheitern wir an den eigenen Ansprüchen.« In seinem psychologischen Ratgeber schildert Raphael Bonelli in über 50 teils tragikomischen, teils erschütternden Patienten-Geschichten aus der eigenen Praxis, wie Perfektionisten ticken.
Der Wiener Psychiater zeichnet ein Bild heutiger Seelennöte, von Ängsten, falschem Ehrgeiz und Lebenslügen, um aufzuzeigen, dass glücklich ist, wer sich in seiner ganzen Fehlerhaftigkeit, Durchschnittlichkeit und Gewöhnlichkeit selbst annehmen kann. Zutreffender kann eine Psychologie für den Alltag nicht sein!
Inhalt des Buches
Einleitung
Niezsches Spießer
Teil 1: Hinter der Maske
1 – Wie Perfektionisten ticken
2 – Das umstrittene Perfektionsstreben
3 – Die Wurzel des Perfektionismus: Das Ich im Bauch
4 – »Weil nicht sein kann, was nicht sein darf«
5 – Die Feinmechanik des Uhrwerks: Was sagt die psychologische Forschung?
Teil 2: Die Macht der Maske
6 – Die Leistungsgesellschaft
7 – Schlankheitswahn und Gesundheitswahn
8 – Der Schönheitswahn
9 – Perfektionismus in Erziehung und Partnerschaft
Teil 3: Die Maske fallen lassen
10 – Psychotherapie: Von der Selbsterkenntnis zur Änderung der Bauchgefühle
11 – Imperfektionstoleranz als therapeutisches Prinzip
12 – Der Perfektionist auf der Couch
Pattloch | 336 Seiten
ISBN 978-3-629-13056-3 | Erschienen 2014
Stimmen zum Buch
Licht am Ende des Tunnels
Raphael Bonellis Buch ist ein großer Wurf. Mit dem Thema Perfektionismus behandelt er eine weit verbreitete psychische Störung der spätbürgerlichen, westlichen Leistungsgesellschaft. Verdienstvoll ist, dass er dem Perfektionismus einige – bislang eher isoliert betrachtete – psychische Symptome zuordnet, die sozusagen typischerwerse im Schlepptau dieses Phänomens mit daherkommen. Hierdurch können Ärzte und Betroffene leichter zu einer zusammenhängenden Erkenntnis gelangen. Bonelli misst in Bezug auf die Genese neben der Angst vorrangig den sozialen und familiären Hintergründen sowie persönlichen Prägungen und Erlebnissen der Betroffenen Bedeutung zu. Bei der Behandlung setzt er vor allem auf die Verhaltenstherapie (Ellis, Seligman) und die Individualpsychologie nach Fritz Künkel und Alfred Adler. Bedarfsweise hält er flankierende Medikation für geboten. Interessant ist, dass Bonelli ebenfalls philosophische Ansätze (Sokrates, Aristoteles, Kant, Josef Pieper) berücksichtigt. Er ermöglicht seinen Lesern damit eine tiefergehende Verortung der Thematik. Die vielen Fallbeispiele stören den Lesefluss, tragen aber zur Nachhaltigkeit des Buches bei. Im Übrigen ist das Buch sehr dicht und gehaltvoll geschrieben und enthält viele interessante Einsichten und Beobachtungen, die bei nur einem Lesegang gar nicht ausreichend gewürdigt werden können.